Berner sein. Eine Liebeserklärung.

Seit laaangem lebe ich nun schon in Bern. In der Schweizer Hauptstadt. Besserwisser werden mich korrigieren: «Die Schweiz hat keine Hauptstadt. Bern ist Bundesstadt.» Ich weiss, aber was soll's! Für mich ist Bern die Hauptstadt. MEINE Hauptstadt – und dies mit Grund.

Eiger, Mönch und Jungfrau, das urbane Bern und die Idée Suisse (Foto: Ronny Kummer)
Eiger, Mönch und Jungfrau, das urbane Bern und die Idée Suisse (Foto: Ronny Kummer)

Ich kenne Bern als Student und Demonstrant, als Exilglarner und Wahlberner, als Entdecker und Spielender, als Leichtathlet und Mountainbiker, als Konzertbesucher und Kabarettliebhaber, als Aareschwimmer und Flussanwohner, als Kommunikationsberater und Mediensprecher, als Bluesmusiker und Schreiberling, als Vater und Partner, als Stimmbürger und Bernfester, als Fussgänger, Velofahrer, AutoMobilityist und Libero-Abo-Besitzer, als Politisierender und Streitender, als Digital Immigrant und BÄRN!BLOGGER, als Dieser und Jener und als Lachender und Liebender…

 

Als Liebender, als Bernliebender. Mein Bern, wie oft habe ich schon über deine Langsamkeit und Bedachtsamkeit geschmunzelt, mich über deinen «sturen Gring» und den bescheidenen Nonkonformismus als Teil deiner DNA gewundert – und dich gerade deshalb immer wieder über alles geliebt. Wie oft wohl hast du mich schon begeistert? Mit innovativer Kunst und verblüffender Architektur, mit sportlichen Höhenflügen und musikalischen Leckerbissen, mit Kreativität und queren Ideen, mit deiner statistisch erhärteten, hohen Lebensqualität und deinem ganz eigenen Berner Weg – vor allem aber mit deiner Offenheit und Toleranz. Und wie oft schon bin ich stolz darauf gewesen, in der Stadt zu leben, in der unsere Demokratie tagtäglich sichtbar, hörbar und spürbar ist?

 

Rückblende. Dienstagabend. Ich stehe zusammen mit vielen anderen Leuten auf dem Bundesplatz, um für Solidarität und freie Meinungsbildung zu demonstrieren – mit Leuten vom Land und aus der Stadt, mit Jungen und Alten, mit Männlein und Weiblein, mit Ärmeren und Reicheren, mit Tessinern und Welschinnen, mit Schweizermundartigen und Anderssprechenden, mit Radiohörerinnen und Fernsehzuschauern, mit Konservativen und Progressiven. Ein einig Völklein im Namen der Demokratie und der Solidarität. 

 

Auf der Bühne führt Schriftsteller Pedro Lenz in seiner Rolle als «Privatisierer» gerade das Credo der Libertären ad absurdum: «Wieso söu i für öffentliche Schuele zaahle, wenn i doch sowieso scho totau unbelehrbar bi?» Kurz zuvor hat er mir noch gesagt, er sei nicht sicher, ob seine ironische Rede funktioniere. Doch, Pedro, sie hat. Ja, und dieser Berner Humor ist ein weiterer Grund dafür, dass Bern zu MEINER HAUPTstadt geworden ist.

 

Und ja, ich weiss, dass Pedro Lenz kein Stadtberner ist, so wenig wie ich als Exilglarner des Berndeutschen mächtig bin – und Bern wird mir das hoffentlich auch in Zukunft nicht übelnehmen, auch nicht in meiner neuen Rolle als BÄRN!BLOGGER.